Auf der Flucht vor einem immer verrückter werdenden Europa …

Psychologie im Dienst der Mächtigen

Seit über hundert Jahren wird in meiner Zunft eine sogenannte „Theorie“ propagiert, die „Theorie“ von Sigmund Freud, die auf eine geradezu systematische Opfer-Täter-Umkehr hinausläuft. Den Opfern von Gewalt und Schicksal wird – kurz gesagt – vermittelt, dass sie an ihrer Lage selbst schuld seien. Das ist eine Verkehrung der Wirklichkeit. Obwohl diese sogenannte „Theorie“ also vollkommen widersinnig ist, sie die Wirklichkeit auf den Kopf stellt, wird sie dennoch aufrecht erhalten und als „Wissenschaft“ verkauft.

Wie ist das möglich? Das verlangt eine Erklärung.

Über ein Vierteljahrhundert lang habe ich selbst mich an dieser Therorie „abgearbeitet“, habe Artikel, Vorträge und Bücher zu etlichen der Texte Freuds wie auch seiner Nachkommen verfasst. Jedoch bin ich mit meiner Kritik immer wieder auf Ignoranz, Desinteresse oder gar plumpen Widerspruch gestoßen. Eine vernünftige Resonanz in einem größeren Maß habe ich im Grunde nicht erhalten.

Mein Resümee: Die widersinnige, bösartige, schädigende Ideologie, die sich hinter dieser sogenannten „Theorie“ verbirgt, wird propagandistisch verteidigt. Es werden erhebliche Mittel aufgewendet, um sie aufrecht zu erhalten. Dafür gibt es m.E. nur einen einzigen Grund: Diese Ideologie ist den Interessen der Mächtigen dieser Welt dienlich. Denn Machtausübung erfordert geradezu zwingend Gewalteinsatz. Und Gewalterfahrung macht geradezu zwingend psychisch krank. Würde dieser Zusammenhang publik werden, so könnte dies die Machtausübung und Gewaltanwendung in Misskredit bringen. Es würden sich logischerweise – im Interesse einer Gesunderhaltung der Bevölkerung – Forderungen zur Einschränkung von Macht und Gewalt ergeben.

Dieser Zusammenhang darf den Menschen nicht bewusst weden. Er muss verschleiert bleiben. Denn nur dann können die Mächtigen der Welt ihr übles Spiel weiter betreiben.

Josef Breuer: Gewalt macht krank!

Gewalt, Unterdrückung, Entwertung, Einengung u.s.w. führt zu psychischen und psychosomatischen Symptomen. Eine entsprechende Psychotherapie muss den Betroffenen den Rücken für Gegenwehr und Selbstbehauptung stärken. Dies hat in markanter Weise der großartige Wiener Arzt Josef Breuer bereits in den Jahren 1880-82 festgestellt und propagiert. Das ist im Kern in seinem Psychotherapie-Konzept enthalten, das er damals entwickelt hatte. Er hatte diesen Ansatz „Psych-Analyse“ benannt. Mit seiner sensiblen Hypothese hatte er im Grunde einen zentralen Hebel geliefert, um den negativen Effekten von permanent produzierten Traumatisierungen auf dieser Welt entgegenzuwirken.

Sigmund Freud: Selbst schuld!

Doch sein jüngerer Kompagnon, Sigmund Freud, hat ihm dieses kluge Konzept aus den Händen gerissen und zu einer Opferbeschuldigungs-Ideologie, der „Psychoanalyse“, pervertiert. Freud „erklärt“ psychische und psychosomatische Störungen ganz anders als Breuer: Nach Freud kommen alle Kinder mit diversen „Perversionen“ zur Welt – sie sind, so Freud, „polymorph [vielgestaltig] pervers“ (in: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie und verwandte Schriften, Fischer TB Verlag, 1972, S. 64 & 102). Jedes Kind, das diese Perversionen nicht bewältigt, entwickelt psychosomatische Symptome. Jede/r ist also SchmiedIn des eigenen Glücks. Diese Art zu denken benenne ich als den „Neoliberalismus der Psychosomatik“. Das bedeutet: Jedem Menschen mit psychosomatischen Problemen wird stumpf und 1.000 fach wiederholt vor den Kopf geknallt: „Du bist selbst schuld!“

Die zwei Kernbegriffe dieser Ideologie sind „Narzissmus“ und „Ödipuskomplex“.

Verbindung zur Altphilologie

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem begrifflichen Werkzeug von „Ödipuskomplex“ und „Narzissmus“ hat sich mit antiken Texten auseinanderzusetzen – abgefasst in Griechisch und/oder Latein. Hierfür ist eine Wissenschaft zuständig, die sich Altphilologie nennt. Mit ihrer Übersetzungsarbeit macht sie Texte wie den „König Ödipus“ von Sophokles und den Mythos von Narziss auch für Menschen zugänglich, die diese Sprachen nicht sprechen.

Sophokles …

Bei der Auseinandersetzug mit dem antiken Theaterstück „König Ödipus“ stößt man zwangsläufig auf dessen Autor: Sophokles. Er ist nach meiner Überzeugung ein zutiefst demokratisch und friedlich gesinnter Autor gewesen. Und, wirklich spannend: In seinen Dramen gibt es – noch nach 2.500 Jahren – Neues zu entdecken! Es sind darin zum Teil Widersprüche „versteckt“, die von den „Fachleuten“ in der Regel bis heute nicht wahrgenommen und benannt, geschweige denn aufgelöst worden sind!

… und der „König Ödipus“ …

Ein Beispiel aus dem „König Ödipus“ soll verdeutlichen, was ich damit meine: In diesem Stück geht es darum, dass Ödipus als Säugling zum Sterben in der Wildnis ausgesetzt werden sollte. Der Diener, der diesen Auftrag hatte, brachte es jedoch nicht übers Herz, so dass Ödipus überlebte. Nun stellt sich in dem Stück am Ende die Frage, wer es eigentlich fertig gebracht hatte, diese Aussetzung anzuordnen. Dazu gibt es in dem Stück selbst zwei unterschiedliche Aussagen. In der Mitte des Stückes wird der bereits verstorbene Vater des Ödipus, König Laios, beschuldigt, dies angeordnet zu haben. So behauptet es jedenfalls Iokaste, die Mutter des Ödipus. Am Ende des Stückes betritt jedoch der Mann die Szene, der den Auftrag hatte, das Kind zu vernichten. Und er benennt zweifelsfrei Iokaste selbst, die Mutter, als diejenige, die ihm den Auftrag dazu ertweilt hatte.

Dieser markante Widerspruch zwischen zwei Aussagen wird in der Fachwelt in der Regel noch nicht einmal erwähnt, geschweige denn plausibel aufgelöst. Jedoch lässt sich erst dann, wenn dieser Widerspruch plausibel geklärt und aufgelöst ist, die eigentliche Handlungsdynamik des Stückes erschließen. Und erst dann lässt sich auch die klare, gleichnishafte Botschaft ablesen, die der Dichter seinen Landsleuten zu Bedenken gibt: Achtet die Demokratie! Setzt demokratische Prinzipien nicht aus Angst vor irgendwelchen Feinden aufs Spiel! Bewahrt den Frieden! Achtet auf die Einhaltung von politischen Zusagen!

… die „Antigone“ und die „Trachinierinnen“

Anlässe für diese Mahnungen sind jeweils aktuelle politische Ereignisse, in die Athen verstrickt ist. Sie unterscheiden sich im Grunde nicht von den heutigen Themen der Politik. Drei dieser Stücke – „König Ödipus“, „Antigone“, und „Die Trachinierinnen“ – sind von mir beispielsweise für den Rubikon in jüngerer Zeit besprochen worden: https://oedipus-online.de/index.php/elementor-2195/.

Mythos von Narziss …

Darüber hinaus glaube ich, dass ich dem alten Mythos von Narziss in seiner facettenreichen Darstellung eine plausible, kluge Lebensweisheit entnommen habe. Sie verkörpert geradezu das Gegenteil von dem, was das heutige Verständnis von „Narzissmus“ ausmacht. Auch hier geht es um eine zentrale Grundlage der Demokratie: die Selbstbestimmung. Narziss verkörpert die Absicht zu souveräner Selbstbehauptung. Er möchte beispielsweise die Beziehung zu geliebten Angehörigen aufrechterhalten – das wird ihm jedoch von einem gnadenlosen Schicksal verwehrt. Und er möchte – umgekehrt – von bestimmten Menschen nicht sexuell bedrängt werden: weder von einer geistlosen Nymphe Echo, noch von zwei Kerlen wie Ameinias und Ellops. Auch diese Selbstbestimmung wird ihm von seinem Umfeld verwehrt.

… und Ovid

Für diese im Grunde offensichtlichen Aspekte des Mythos hat sich eine alte Deutungstradition als blind erwiesen. Man war so verständnislos, die Ironie eines Ovid nicht zu verstehen. Oder man hat sich, im Dienst einer ideologischen Absicht, einfach dumm gestellt. Eine souveräne, selbstbewusste Abgrenzung, wie ein Narziss sie praktiziert, war den Mächtigen der Welt von jeher ein Dorn im Auge. Es hat eine lange Tradition, solch eine „Anmaßung“ zu bestrafen oder zur „Sünde“ zu erklären. Oder – in neuerer Zeit – als „psychischen Defekt“ zu diffamieren.

Noch einmal: Ist das nicht interessant, dass eine Geschichte, die eigentlich Werbung macht für ein gesundes Selbst-Bewusstsein, für emotional intelligentes Handeln, dass diese Geschichte als Grundlage eines Begriffes dient, mit dem quasi die Monster dieser Welt belegt werden? Ist nicht erkennbar, dass hierbei quasi dauerhafte Propaganda installiert worden ist? „Selbstbehauptung ist schlecht! Maße dir nicht an, deine Beziehungen – zu religiösen und weltlichen Oberhäuptern – selbst aussuchen zu wollen! Passe dich deinem sozialen Umfeld an! Lauf mit der Herde mit!“

Meine Sicht bietet für die wohl bekannteste Version des Mythos von Ovid einige neue Hinweise, die für die Ovid-Forschung interessant sein könnten.

Webseiten

Die Erkenntnisse, die ich gesammelt habe, sind auf meinen Webseiten nachzulesen:

https://oedipus-online.de

https://narzissmus-diskussion.de

https://corona.oedipus-online.de/wordpress/

https://costa-rica.narzissmus-diskussion.de/wordpress/

Jetzt tritt diese Beschäftigung etwas zurück – und ich widme mehr von meiner Energie der schönen Natur, der Kultivierung von Obst, Gemüse und Pflanzen und dem beschaulichen Müßiggang – fernab von dem verrückten Europa. Aber auch hier holt mich der alte Wahnsinn noch mal ein.

Tradition des Lügens

Beispielsweise habe ich im Dezember ’22 davon erfahren, dass in einem Archiv ein Brief von Wilhelm Jensen aus dem Jahr 1903 aufgetaucht ist, gerichtet an Wilhelm Stekel. Genau über diesen Brief äußert sich Freud in seiner umfangreichsten Literaturbetrachtung: „Der Wahn und die Träume in W. Jensens ‚Gradiva’“ (1907). Freud behauptet darin, Jensen habe „unwirsch“ auf die Anfrage eines Mitglieds der Mittwoch-Gesellschaft reagiert. Das ist – wie so vieles aus Freuds Feder – eine dreiste Lüge. Es hat mich zu einem Beitrag inspiriert: „Tradition des Lügens“ (2023). Sie findet sich hier als pdf: Tradition_des_Luegens

Freud und Kokain

Dort findet sich in Kapitel 12 („Die Psychoanalüge“) eine kurze Auseinandersetzung mit Freuds Umgang mit Kokain. Freud hat selbst über Jahre mit dieser Substanz sein Näschen gepudert. Und er hat das Stöffchen einem Freund beispielsweise als Heilmittel gegen Morphium-Sucht angedreht. Der Freund war bald darauf von beiden Substanzen abhängig und hat sie in hohen Dosen konsumiert. Obwohl Freud den Niedergang seines „Freundes“ in Briefen an seine Verlobte schildert, behauptet er in „Fachartikeln“, einen erfolgreichen Morphiumentzug mit Kokain hinbekommen zu haben.

Freud hofft, wie er in einem der Briefe schreibt, dass ihm der „Freund“, der aus sehr reichem Hause stammte, noch schnell eine größere Summe Geld leiht. Denn dann müsste er wohl nicht mehr ans Zurückzahlen denken. Der „Freund“ stirbt dann, erwartungsgemäß, im Alter von nur 45 Jahren.

Dieser Umgang mit Wahrheit und Wirklichkeit ist wohl bezeichnend für Freud. Ein guter Teil der psychoanalytischen Selbstgewissheit dürfte im Kokainrausch entstanden sein.

Bewahrung der reinen Lehre

Wannimmer Freud wegen seiner Wirklichkeitsverdrehung mal in den Fokus der Kritik gerät, springen sofort mächtige „Fachleute“ in die Bresche, um den Meister von allen Vorwürfen reinzuwaschen. Im Zusammenhang mit der Kokain-Geschichte bin ich auf zwei – von unzählig vielen anderen – solcher Beiträge gestoßen. Sie tragen dazu bei, die Tradition des Lügens zu pflegen:

Prof. Dr. Alfred Springer in seinem Beitrag „Kokain, Freud und die Psychoanalyse“ (https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-2002-23527.pdf).

Dr. Anna Lindemann in ihrem Beitrag: „Der Fall Ernst Fleischl von Marxow: Morphinentzug mit ‚Cocain’“ (https://www.researchgate.net/publication/333135189_Der_Fall_Ernst_Fleischl_von_Marxow_Morphinentzug_mit_Cocain).

Mit plumper Dreistigkeit werden von dem Professor und der Frau Doktor die Freudschen Entgleisungen beschönigt und verharmlost. Oder, schlimmer noch: Sie werden als intellektuelle Großtat gefeiert.

Mit den beiden oben genannten Texten werde ich mich später (hoffentlich) noch einmal etwas ausführlicher auseinandersetzen und einen Teil ihrer Verschleierungsmaschen aufzulösen versuchen.


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